Sternenkinder

Es geht nicht, dass ich bleib – mich ruft mein Stern!
Rolf Zuckowski

Sternenkinder sind Kinder, die vor, während oder kurz nach der Geburt versterben.

Jeder Mensch, der eine solche Situation erlebt, ist mit größter Trauer und Ohnmachtsgefühlen konfrontiert. Die Welt ist nicht mehr dieselbe, wie sie vorher war. Schuld, Trauer, Verantwortung und Schmerz können sich zeigen und auch lebensbestimmend werden. Aus diesen Gefühlen heraus zu kommen ist ein intensiver Prozess und es braucht viel Zeit. Manchmal ist es auch sinnvoll, sich dabei unterstützen zu lassen.

Meine Großmutter (* 1910) nannte eine Schwangerschaft „In guter Hoffnung sein“. Als ich noch ein Kind war, konnte ich mit dieser Aussage nichts anfangen. Erst als ich selbst schwanger wurde, spürte ich allmählich, was mit dieser Redewendung gemeint sein könnte. Auch wenn die Medizin heute weit fortgeschritten ist, so gibt es keine Garantie für eine problemlose Schwangerschaft und Geburt bzw. ein gesundes Baby.

Als ich, nach zwei wunderbaren Kindern, mein drittes Kind im Jahr 1997 in der 12. SSW verloren habe, erlebte ich, was so ein Schicksal bedeutet. Die Ärzte waren sich über meinen Zustand nicht klar, weil sie am Ultraschall kein Kind erkennen konnten. Alle Beteuerungen meinerseits, dass ich schwanger sei, gingen ins Leere. Es wurde eine Bauchspiegelung gemacht und dabei zeigte sich eine Eileiterschwangerschaft. Mein Kind wurde mir im narkotisierten Zustand aus dem Bauch genommen und ohne großes Nachdenken einfach im Klinikmüll „entsorgt“. Ich habe es nie gesehen. Man sagte mir, es sei bereits pflaumengroß gewesen. Das war´s. Es gab niemanden, der mich hätte auffangen können. Mein Umfeld reagierte ausweichend, manche sogar mit harten und trockenen Sprüchen, die zwar gut gemeint, aber trotzdem fehl am Platz waren. Ich blieb mit meiner Trauer allein und es dauerte noch drei Jahre bis ich jemanden gefunden hatte, der mir mit einer Aufstellung am Systembrett geholfen hatte. Meine Nicole bekam einen Namen und auch einen Platz. Der Schmerz wandelte sich. Ich wurde frei. Frei von Schuldgefühlen, von der Vermeidung darüber zu sprechen und endlich durfte ich meinem Kind einen Platz in meinem Herzen geben.

Heute ist es möglich, über diese schmerzhaften Erfahrungen zu sprechen. Die Gesellschaft geht offener mit diesem Thema um. In guten Gebärkliniken ist es auch möglich, sich vom Sternenkind zu verabschieden. Man bekommt das Kind in die Hand und kann sich für die Verabschiedung Zeit in einem würdevollen Rahmen nehmen. Und es ist immens wichtig sich zu verabschieden. Die Seele der Eltern braucht eine ganze Geschichte, um das traurige Erlebnis verarbeiten zu können. Beide Elternteile dürfen und sollen ihre Trauer zum Ausdruck bringen. Gemeinsam Betrauertes ist leichter zu ertragen und stärkt die Partnerschaft.
Und eines vorweg: Männer trauern auf eine ganz andere Weise, als Frauen!

Was mich diese Lebensgeschichte gelehrt hat?
Sie hat mich zu einem neuen Beruf gebracht.
Das Thema Aufstellungsarbeit hat mich derart fasziniert, dass ich einige Jahre später Ausbildungen und daraus einen Berufswechsel vollzogen habe. Im Nachhinein ist mein schweres Schicksal, welches soviele auf dieser Erde ertragen müssen, zu einem guten Ende gekommen.

Liebe Betroffene: Ich wünsche Jeder und Jedem von euch, dass euch ein guter Weg aus diesem Schicksalsschlag heraus führt und gelingt.

Eure Ulrike

Wenn ihr mich sucht, so sucht mich in euren Herzen, habe ich dort eine Bleibe gefunden, bin ich für immer bei euch.
Antoine de Saint Exupéry

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